Titelbild: Maria hält Noten in der Hand: Was ich als Musikerin, Dozentin und Autorin bewirken möchte

Was ich als Musikerin, Dozentin und Autorin bewirken möchte

In einer Welt, in der wir (so gut wie) alles sein können:
Wer wollen wir sein? Was wollen wir sein? Wie wollen wir sein?
– Judith Peters

Wenn mich Menschen fragen, was ich beruflich mache, sage ich zunächst: “Ich bin Musikerin”, obgleich ich zur Zeit nicht auf der Bühne stehe: Ich fühle mich als Musikerin, denn Musik ist täglich in meinem Leben. Ich mache immer noch selbst Musik (wenn nicht auf der Bühne), ich gebe Anfängerunterricht, ich unterstütze Berufsmusiker mit meiner Arbeit als Flow-Flüsterin und ich schreibe Bücher für Menschen, die Musik lieben. Wer Musik macht, ist Musiker.

Musizieren ist jedoch nicht, die Finger zu bewegen und ein Instrument zum Erklingen zu bringen. Zum Musik machen gehört ein Ausdruckswillen dazu, ein Impuls, mit der Welt zu kommunizieren. Ich möchte Menschen zeigen, dass es richtig und wichtig ist, diesem Impuls zu folgen. Dass in uns allen eine unsagbare Kraft steckt, und Musik ein Weg ist, an diese Kraft zu kommen – sei es musizierend oder Musik empfangend.

Musik sind nicht die Noten, das wissen wir alle, sondern was zwischen den Noten passiert. Das klingt erstmal großartig, aber wie setzen wir das in die Praxis um? Und genau darin, nämlich zu zeigen, wie wir Musik zwischen den Noten erleben und unterrichten und wie wir nicht nur in der Musik unseren ureigenen Ausdruckswillen hervorbringen – darin besteht meine Berufung, mein Beruf, meine Leidenschaft und meine Mission im Leben.


Maria Busqué hält Noten in der Hand

Ich möchte Musik als Medium hervorheben

Musik ist, wie manche Musiker gerne sagen, ein Zweck in sich, und daran ist erstmal nichts auszusetzen. Doch in der Geschichte gaben wir Musik immer einen bestimmten Zweck, sei es für Unterhaltung, für Gemeinschaftsbildung, für Anlässe jeder Art, für den Ausdruck von Emotion, für Manipulation, für die Übertragung von Geschichten. Das nicht zu erkennen ist der Musik ihre höchste Kraft abzusprechen. “Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum”, sagte Nietzsche. Man mag sich vorstellen, wie die Menschheitsfamilie ohne Musik bis hierher gekommen wäre. Schwer, sich das vorzustellen. Und traurig.

Musik hat die Fähigkeit, uns Verbundenheit zu schenken wie kaum ein anderes Medium. Dank ihr können wir in Berührung kommen mit etwas, was wir nicht verstehen oder nicht erklären möchten. Diese Momente der Verbundenheit machen uns menschlich, und wir brauchen diese Menschlichkeit in der heutigen Zeit, mehr denn je.

Denn viele haben in den letzten Jahren aufgegeben, in den Dialog zu gehen mit denen, die sie vorher noch für kompetent und intelligent gehalten hatten. Diejenigen aufgeben oder bekämpfen, die anders denken, beides läuft auf dasselbe hinaus: Wir leben uns gerade auseinander – Familie, Freunde, Arbeitskollegen. Die Heilung dieser zerstörten Verbundenheit ist in uns, aber sie braucht einen Raum, um zu entstehen. Musik ist eines der wichtigsten Wege zur Heilung, ohne Worte, direkt, universell. Und als Musiker halten wir den Schlüssel in der Hand.


Ich möchte Musikern helfen, ihr Selbstbild zu verändern

Manche Musiker landen im Beruf, weil sie “sonst nichts anderes können” (wie mir eine Kommillitonin mal anvertraute), manche fühlen wie eine magische Anziehungskraft dahin, und es ist wegen dieser Verbundenheitserfahrung, dass wir Musik machen oder weitergeben wollen.

Doch der innige Wunsch, sich der Musik zu widmen, wird manchmal im Keim erstickt. Angehende Musiker bekommen zu hören oder zu spüren, dass sie zu jung oder zu alt sind, keine Pianistenhände haben, keine Bläserlippen haben, es nicht genug wollen, nicht genug Talent oder einfach nicht das Zeug dazu haben. Diejenigen mit dem stählernen Willen können sich durchsetzen und ihren Traum verwirklichen, doch auch da gehen manche körperlich und seelisch daran kaputt. Der Kampf, der stetige Kampf, wird gegen die inneren Stimmen ausgefochten, die der Musiker früher im Außen gehört und heute verinnerlicht hat: Was man darf und was nicht. Was man sollte und was nicht. Die meisten merken das nicht einmal.

Es gibt keinen Grund, Schmerzen beim Musizieren zu haben, genauso wie es keinen Grund gibt, Lampenfieber aushalten zu müssen. Warum kann Leichtigkeit nicht einfach nur von Leichtigkeit kommen, anstatt aus Härte und Entbehrungen? Kann das Erreichen der eigenen Ziele leicht und einfach sein? Dürfen wir es uns einfach machen? Musiker brauchen dringend ein neues Selbstbild – das alte funktioniert für die heutige Zeit nicht mehr.


Ich möchte Musiker (und vor allem unterrichtende Musiker) stärken

Viele Lehrer sind nach Unterrichtsnachmittagen erschöpft – sie haben nicht gelernt, wie sie ihren Schülern beibringen, ihren Teil der Verantwortung für den Unterricht zu übernehmen. Ein wichtiges Werkzeug dafür ist es, gesunde Grenzen zu setzen, nicht zuletzt sich selbst gegenüber. Grenzen sind lebenswichtig, denn obwohl unser Potenzial und unsere Emotionen keine Grenze kennen, sind zwei Dinge definitiv begrenzt: unsere Zeit und unsere Kraft. Es gilt, mit dieser Kraft gut zu haushalten, sodass wir für andere da sein können. Wir bringen anderen Menschen diese Fähigkeit bei, indem wir sie vorleben. Denn wie kann ich in der Welt aktiv werden, wenn ich nicht fühle, wo mein Handlungsraum beginnt? Diesen spüre ich erst durch eine gesunde Grenze.

Wir nutzen unser Potenzial nur zu einem Bruchteil, und mit gutem Musikunterricht können Menschen auf ganz natürliche Weise zu sich selbst finden und dieses Potenzial entfalten. In der Potenzialentfaltung vervielfacht sich unsere Lebendigkeit, Kreativität und Diversität, und das kommt uns allen zugute. Diejenigen, die Initiativen entwickeln, die andere Menschen zusammenbringen, bewegen die Welt. Nach den letzten drei Jahren brauchen wir mehr denn je Menschen, die etwas bewirken wollen. Und in der Musik brauchen wir Lehrer, die verstehen, wie Lernprozesse funktionieren, und die mit Präsenz und Resonanzfähigkeit ihren Schülern begegnen können.

Indem Menschen Musik spielen, vermitteln und unterrichten tragen sie meines Erachtens einen essentiellen Teil zur Antwort auf die Herausforderungen unserer Gesellschaft bei. Eine absolut verrückte Vision von mir ist daher, dass eines Tages Musiker mit genau demselben Respekt behandelt werden wie heute Ärzte oder Anwälte. Doch Respekt muss man sich verdienen. Musiker müssen lernen, ihren Wert, den sie für die Gemeinschaft darstellen, zunächst einmal zu erkennen und zu akzeptieren, und danach, wie sie diesen Wert für andere zum Ausdruck bringen. Deshalb ist es meine Lebensaufgabe, Musiker zu stärken.


Maria Busqué unterrichtet eine Klarinettistin

Ich möchte das Konzept eines »guten Musikunterrichts« geprüft sehen

Die wichtigste Herausforderung der heutigen Zeit sehe ich darin, dass Menschen verlernt (oder gar nicht erst gelernt) haben, echte Verantwortung zu übernehmen, und die beginnt mit der Verantwortung für das eigene Leben. Im Unterricht erleben wir ganz oft Schüler (oder deren Eltern), die sich zwar wünschen, ein Instrument gut zu spielen, aber nicht verstehen, dass sie etwas dafür tun müssen. Die Vermittlung dieser Selbstverständlichkeiten liegt in den Händen des Lehrers – doch die Werkzeuge, die Sozialkompetenz, das zu tun, die bekommen angehende Lehrer meistens gar nicht an die Hand.

Eine Klavierschülerin von ganz früher in Barcelona schrieb mir mal eine wunderschöne Karte zum Abschied, die ich noch immer habe: “Vielen Dank für die tollen Klavierstunden. Sie haben mir den Mut gegeben, Neues zu wagen.” Durch Mut kann das Neue kommen. Das Neue, Ersehnte wird aus dem kommen, welches wir noch nicht kennen, aus dem Nichts, aus dem Unbekannten. Doch der Kontakt mit dem Unbekannten, mit dem Nicht-Wissen, bringt Spannung hervor – und diese Spannung auszuhalten, müssen wir als Kollektiv wiedererlernen. Musikunterricht kann dazu verhelfen.

Ein guter Musikunterricht ist also der, bei dem wir etwas für unser Leben mitnehmen. Wenn wir uns ein Stück vornehmen und es tatsächlich spielen, wenn wir erfahren, wie wertvoll das ist, bei einer Sache zu bleiben, uns selbst zuhören lernen und ehrlich zu uns selbst zu sein, auf die eigenen Impulse neugierig zu reagieren, mit der Zeit ein eigenes Verständnis und Geschmack für Musik zu entwickeln: “So fühle ich diese Musik”, und dazu stehen zu können. Das ist ein Unterricht, der den Menschen zu sich gebracht hat. Manchmal überlege ich, ob ein solcher Musikunterricht der einzige Ort ist, wo Menschen in der heutigen Zeit so etwas lernen können. Alleine der Auftritt auf der Bühne, diese Fähigkeit, sich in diesem Moment zu zeigen, mit seinem eigenen Gefühl für die Musik, und erfahren, dass das eine Bedeutung auch für andere hat – dass die eigene Stimme wertvoll und wichtig ist.


Ich möchte uns daran erinnern, was es ist, Mensch zu sein

Wir stehen als Menschheit vor einer besonderen Frage: Entscheiden wir uns für die Entmenschlichung oder für die Menschlichkeit? Die Entmenschlichung ist bereits in vollem Gange. Es steht nicht mehr die Qualität von Leben und von Beziehungen in Verbundenheit an erster Stelle, sondern stattdessen Ideale, was ein Mensch sein sollte, wie er handeln, sprechen und sogar denken sollte. Doch Menschen sind nicht perfekt. Ein idealer Mensch kann nicht existieren, die Geschichte hat das mehrmals gezeigt, und diese Illusion aufrecht zu erhalten kostet uns zur Zeit alles. Wenn wir nichts tun, wird sich dieser Trend fortsetzen.

Es ist das Wiederbeleben der Menschlichkeit in ihrer höchsten Möglichkeit, was Handeln benötigt. Dass wir uns gegenseitig daran erinnern, dass es das wert ist, für das Gute und Wahre zu kämpfen, und dass wir füreinander Stütze sein können – selbst diejenigen, von denen wir das niemals behaupten würden.

Menschen tragen die Heilung in sich, und Traumata können überwunden werden. Ich sehe uns aus dem Chaos wieder zurück zur Ordnung finden, mit dem Mut, wieder einander auf Augenhöhe zu begegnen. Die Heilung des Kollektivs beginnt immer im Einzelnen. Deshalb ist meine Arbeit in den letzten Jahren stark in Richtung Nervensystem orientiert: Das Nervensystem, unser GPS in der Welt, birgt in sich die Antworten auf alle Fragen, die wir uns gerade stellen, und die wichtigste Frage, die ich mir heute stelle, ist nach der Qualität unserer Beziehungen.

Wir müssen präsenter werden, um einander und uns selbst besser zu hören.


Welches Motto bringt alle Themen zusammen?

Ich kehre noch einmal zu den obigen Fragen zurück:

In einer Welt, in der wir (so gut wie) alles sein können: Wer wollen wir sein? Was wollen wir sein? Wie wollen wir sein?

Meine Eltern haben mir eine wichtige Sache mit ins Leben gegeben: Das Gefühl, dass ich alles schaffen kann, was ich mir vornehme, und dass ich meine Träume verwirklichen kann. Dafür bin ich ihnen von Herzen dankbar – es hat mir dieses freie Leben ermöglicht. Ich nutze nun diese Kraft, diesen Antrieb, um andere zu unterstützen, sich selbst ihre eigenen Träume zu ermöglichen. Chris Haggerty hat es ziemlich treffend ausgedrückt, und ich lebe nach diesem Prinzip:

“Das Ziel der meisten Führungskräfte ist es, dass die Menschen sie als Führungskraft hochachten, doch das Ziel der außergewöhnlichen Führungskraft ist es, dass die Menschen sich selbst hochachten.” (Original: “The goal of most leaders is to get the people to think highly of them as a leader, but the goal of the exceptional leader is to get the people to think highly of themselves.”)

Denke niemals, lieber Leser, liebe Leserin, dass deine Interaktionen mit Menschen oder sogar kleinen Kindern nichts ausmachen. Wir alle können in diesem Sinne führen und Eigeninitiative ergreifen – wenn wir sogar das Selbstverständliche zum Ausdruck bringen und in jedem Augenblick unser Gegenüber wertschätzen.

“Ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre, wenn ich keine Musik gemacht hätte”, ist ein Satz, den ich manchmal höre und den ich vollkommen unterschreiben kann. Musik hat mein Leben zutiefst geprägt, und wenngleich dieser Weg in der Musik nicht leicht war – noch schwieriger wäre es gewesen, ihn nicht gegangen zu sein. Die Hindernisse, die mir manchmal als schier unüberwindbar erschienen, lösten sich auf und mein Traum wurde meine Realität.

Lasst uns die Welt wieder mit Kinderaugen sehen, nicht aus Naivität, sondern aus dem Wunsch, Resonanz zu erleben, und aus der Gewissheit, dass wir mit unserer Musik die Welt bewegen können.



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