Sobald meine Finger beginnen über die Tasten zu fliegen, komme ich in einen tranceartigen Zustand, in dem alles möglich ist.
Schreiben ist für mich Freiheit, innerer Kontakt zu mir, Flow.
Ich liebe Schreiben, weil der Prozess manchmal mich selbst überrascht
Je klarer ich weiß, was ich sagen möchte, desto schneller entsteht der Text. Schreiben ist für mich ein Download-Prozess; oft habe ich eine Idee, einen Keim von Text im Kopf. Dann wache ich vielleicht morgens auf und ich höre innerlich diesen Text, manchmal geschieht das auch abends. Ich bin dann nur noch dazu da, die Paragraphen aufzuschreiben; der Text ist bereits fertig, alles, was ich dann tun kann, ist schnell zum Laptop oder zum Notizbuch zu greifen und zu versuchen, schnell genug zu tippen. Ich habe das Gefühl, jemand diktiert und ich kann mir dabei zusehen, wie die Worte auf den Bildschirm kommen. Ganze Paragraphen, ganze Texte entstehen so.
Weil ich Vergangenes verarbeite
Oft schreibe ich über vergangene Erfahrungen. Wenn es um dieses Erzählen geht, entsteht der Text quasi von selbst. Von einem ersten Entwurf ausgehend muss ich dann nur noch den Fluss der Szenen oder der Worte in Ordnung bringen. Manche Episoden aus meinem Leben habe ich auf diese Weise verarbeiten können – durch Schreiben. Beispielsweise hatte mich bis vor einigen Jahren immer wieder ein Bild heimgesucht von einer unangenehmen Situation mit einer ehemaligen Lehrerin von mir, die sich während meines Studiums zugetragen hatte. Nachdem ich den Text niederschrieb im Jahr 2015, kam das Bild nie wieder zurück.
Eine Auswahl meiner Tagebücher – es sind insgesamt mehr als doppelt so viele ...!
Schreiben in Form von Journaling hat mich in den letzten Jahren mehrfach durch persönliche Krisen getragen. Seitdem ich 10 Jahre alt bin, schreibe ich Tagebuch. Anfangs noch verhalten, später immer ehrlicher zu mir selbst, je älter ich wurde. Ich dokumentiere, reflektiere, ich finde Zuversicht. 2015 war vielleicht der tiefste Punkt in meinem Leben – nur meine engsten Freunde wissen darum, was diese Zeit für mich bedeutet hat. Damals konnte ich nichts anderes als Seite um Seite in mein Tagebuch zu schreiben. Seite um Seite habe ich mich wieder da rausholen können. Ich bin noch nicht bereit, über diese Zeit öffentlich zu schreiben. Vielleicht werde ich das eines Tages tun. Stift und Papier haben diese Fähigkeit, uns zu spiegeln, uns zu zeigen, wer wir wirklich sind und was uns wichtig ist im Leben. Das fasziniert mich immer wieder. So einfach – so kraftvoll. Für diesen Beitrag habe ich meine alten Tagebücher herausgeholt und manche von ihnen quergelesen – da steckt so viel drin, so vieles hatte ich schon vergessen! Ich bin so dankbar für mein jüngeres Selbst, dass es immer wieder zum Tagebuch gegriffen hat um sich die Seele vom Leib zu schreiben.
Weil ich die Zeit dazu bringen kann, stehen zu bleiben
Wenn ich schreibe, spiele ich mit der Zeit. Ich kann sie ausdehnen oder raffen, oder ich kann in Echtzeit schreiben – dann vergeht die geschriebene Zeit im selben Tempo, wie die Leserin oder der Leser liest. Das ist eines der Dinge, die mich am meisten begeistern über das Schreiben. Die Regeln der Physik sind aufgehoben, ich bestimme über den Lauf der Zeit. Das macht mir großen Spaß. Timing ist für mich als Musikerin ein wichtiges Prinzip. In meinem Beitrag über das Konzert mit Benjamin Zander und die 25 Sekunden Stille, die auf sein Konzert folgten (in einer ausverkauften Philharmonie Berlin) spiele ich zum Beispiel sehr mit dem Vergehen von Zeit. Wie sonst ausdrücken, dass 25 Sekunden vergangen sind, ohne einen einzigen Laut, in einem vollen Saal mit 2.000 anderen Menschen? Das Lesen von einem Satz dauert ein, zwei kurze Sekunden. Ich wollte jedoch die Leserinnen und Leser mitnehmen und mit ihnen gemeinsam 25 Sekunden verbringen, ich wollte sie die Zeit richtig spüren lassen. Diesen Beitrag über das Konzert von Benjamin Zander kannst du hier lesen.
Eines meiner Schreibplätze, denn ich habe keinen festen Arbeitsplatz.
Weil Schreiben für mich Musik ist
Ich liebe das Schreiben, weil es mir ermöglicht, mich mit Menschen zu verbinden, sie zu berühren, sie zu erreichen. Genauso wichtig ist mir die Musik beim Schreiben, der Rhythmus, die Melodie, die Harmonie. Ich spiele mit den Worten, so wie ein Komponist mit den Noten spielen würde. Ich kann meine Leserinnen und Leser anregen, mit mir zu schwingen. Wenn sie meiner Einladung zum Tanz folgen und sich öffnen, kann ich sie berühren – ich kann ihnen, diesmal mit Worten, die Zuversicht geben, dass sie nicht alleine sind.
Über die Jahre habe ich mich immer mehr damit identifiziert, dass ich schreibe, als dass ich Musikerin bin. Ich fühle mich weiterhin als Musikerin, das hat sich für mich nicht geändert. Doch ich merke schon, Schreiben ist mittlerweile ein stärkerer Teil meiner Identität geworden als die Musik. Vielleicht, weil ich meinen Selbstwert nie wirklich in meine Laufbahn als Musikerin gesucht habe.
Weil ich anderen damit etwas gebe
Ich liebe Schreiben als einen Akt des Gebens und des Teilens. Ähnlich, wie wenn ich mit meinen Schülern am Klavier vierhändig oder für mich improvisiere, fühle ich mich nach dem Schreiben innerlich ausgeglichen, erfüllt, im Flow. Ich habe etwas gegeben, und obwohl die Leserin oder der Leser den Text erst später bekommen wird, hat dieser Austausch mit ihm oder ihr in mir bereits stattgefunden. Einige sagen, »Schreibe für eine Person«, und für mich ist es genau das. Schreiben ist Kommunikation, und Schreiben ist für mich auch die Kunst, klar zu denken. Schreiben ist Geben. Ich kann andere inspirieren. Deshalb ist Schreiben mit den Jahren mir ein Bedürfnis geworden.
Mein Buch: »Alles im Flow? Die Kunst, ein musikalisches Leben zu führen«
Weil ich Bücher liebe
Regelmäßig beim nach-Hause-Zurückkehren bleibe ich im Bücherladen bei mir um die Ecke stehen, schaue mir an, was neu ist. Manchmal kaufe ich etwas, manchmal nicht. Jahrelang träumte ich, ein Buch von mir in einem Laden zu sehen. Zum jetzigen Zeitpunkt bin ich diesem Traum viele Schritte näher als damals. Mein erstes Buch ist aus diesem Blog heraus entstanden, das du gerade liest, und aus dem Austausch mit den Leserinnen und Lesern meines »Flowletters«. Letzten Herbst nahm ich alle meine Kraft zusammen, um neben einem vollen Unterrichtskalender noch nebenbei das Buch zuende zu schreiben, es selbst zu produzieren, das ganze Projekt zu crowdfunden und dann auch die Bücher nach ganz Europa zu versenden. Innerhalb der ersten zwei Wochen im Crowdfunding kamen über 770 Bestellungen zusammen. Eine Aktion, die mir gezeigt hat, wie viel ich meiner Community zu verdanken habe. Die erste Sonderausgabe mit 1.000 Exemplaren ist zur Zeit beinahe ausverkauft. Durch das Crowdfunding wurde ein Agent auf mich aufmerksam – seit Januar repräsentiert er mich und meine Bücher weltweit. So wie sich mein Traum erfüllte, Musikerin zu werden, wird sich auch mein neuer Traum erfüllen, ein Buch von mir im Bücherladen zu sehen.
Weil ich noch viele Bücher veröffentlichen möchte
Schreiben trägt mich beruflich seit Jahren, und ich plane weitere Bücher nach diesem ersten Buch. Kommenden Herbst schreibe ich ein Fachbuch zu meiner musikphysiologischen Arbeit (also die Arbeit als Flow-Flüsterin) während ich im Flow-Seminar unterrichte. Bei der Jahresplanung erschien mir das als die beste Voraussetzung dafür, tiefer denn je in die Materie einzudringen, sodass sowohl das Buch als auch die zukünftigen Teilnehmer:innen des Seminars davon profitieren. Und das ist erst das zweite Buch; ich habe momentan drei weitere Bücher in Planung, insgesamt also fünf.
Weil es ein Weg ist, zu mir selbst zu stehen
Vielleicht eines der spannendsten Phänomene beim Schreiben ist das Finden der sogenannten »Erzählstimme« oder der »eigenen Stimme«. Am Anfang habe ich mich gar nicht angehört wie ich bin, doch mit den Jahren, schwupps, auf einmal merke ich, dass ich meine Stimme beim Schreiben tatsächlich gefunden habe. Ich erkenne meine Persönlichkeit in meinen Texten wieder und früher habe ich das nicht getan. Die Stimme ist anders, je nach Kontext: Ich schreibe seit meinem 11. Lebensjahr Tagebuch, doch für meinen Blog schreibe ich erst seit sieben Jahren. Auch das war ein Prozess, zu sehen, wie sich die Stimme im Blog wie auch im Tagebuch verändert. Die Maria im Tagebuch konnte immer mehr zu sich selbst stehen, weil sie auch im Außen, im Blog, zu ihren Ansichten und Ideen steht.
Weil so viele Möglichkeiten entstehen, wenn wir unsere Ideen teilen
Als ich mit meinem Blog begann, dachte ich nicht, dass meine Texte irgendwen interessieren würden. Aber das war mir egal. Ich musste meine Ideen sortieren, nach drei Jahren Ausbildung Resonanzlehre rauchte mir buchstäblich der Kopf. 2014 war also mein Start, und trotz anfänglicher oberpeinlichen Texten (die nicht mehr online sind 😬) waren es immer mehr Menschen, die ihn gelesen haben. Durch den Austausch mit meinen Leserinnen und Lesern entstand mein Buch. Ja, durch ein Blog kann beispielsweise ein Buch entstehen. Ich konnte meine Expertise aufbauen. Menschen lernen mich und meine Arbeit kennen. Nun habe ich einen Agenten. Das alles hat dieser Blog für mich getan.
Wie alles andere, so kann man auch Schreiben lernen, und zwar gut Schreiben lernen. Davon bin ich überzeugt. Schreiben, wie Musizieren, ist pure Kreativität – und jeder Mensch ist kreativ, wenn er sich die Erlaubnis dazu gibt. Möchtest du schreiben? Nun denn, so schreibe. Die Erlaubnis hast du von mir bereits.
Aber pass ja auf, wenn du damit anfängst. Denn wenn du beginnst zu schreiben ...?
... könnte es dich zu neuen Ufern führen.